Management Letter:  Ist Narzissmus der Schlüssel zum Erfolg?

Ist Narzissmus der Schlüssel zum Erfolg?

18. Dec 2019

Narzissmus ist, spätestens seit der Ära Trump, nicht einfach nur eine – oft allzu leichtfertig hingeworfene - psychiatrische Diagnose, sondern auch eine häufig gebrauchte Zuschreibung für ausserordentlich extrovertierte Menschen. 

Diese scheinbar Selbstverliebten mit den überlangen Handy-Sticks die in erster Linie Selfies sammeln, sind auf den sozialen Medien sehr erfolgreich. Belohnt werden sie mit Likes. Und sehr viele Likes gelten als Erfolg, der sich mehr und mehr auch kommerziell verwerten lässt. 

Stimmt das auch in der Arbeitswelt? Und – hängen Narzissmus und beruflicher Erfolg zusammen? 

Narzissmus jenseits der Diagnose

Narziss ist gemäss der griechischen Mythologie der schöne Sohn des Flussgottes Kephissos und der Leiriope, der die Liebe anderer zurückwies und sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte. Teiresias, der Seher sagte Narziss nur dann ein langes Leben voraus, sollte er sich nicht selbst erkennen; «si se non noverit». Und genau das zeichnet sie auch heute noch aus: Die Unfähigkeit, sich selbst zu erkennen und sich gegenüber anderen zu überhöhen. 

Als Narzissten im eingebürgerten Sprachgebrauch werden Personen bezeichnet, die sich immer in den Mittelpunkt drängen. Es sind wortgewandte, extrovertierte Menschen, die  wissen, wie sie sich in Szene setzen und wie sie andere für sich einnehmen können. Sie haben  einen hohen Unterhaltungswert und immer eine Anekdote, einen Witz oder eine gute Geschichte – oft über die eigenen Erfolge – parat. 

Diese Personen haben  eine grosse Anhängerschaft von Menschen, von denen sie zutiefst bewundert werden. Verständlicherweise: Denn sie besitzen eine charismatische Ausstrahlung, sind gute Redner und haben eine gefestigte Meinung, die sie überzeugend darlegen können. 

Diese Merkmale sind typisch für Narzissten; darüber ist sich die Wissenschaft einig. 

Soweit ist ja auch kaum etwas dagegen einzuwenden. Das sind Erfolgsfaktoren die dafür sorgen, dass diese Menschen überdurchschnittlich oft in den obersten Führungsetagen anzutreffen sind. 

Die Schattenseiten des Narzissmus

Den unübersehbaren Stärken der Narzissten stehen oft auffällige Schwächen gegenüber, die Betroffene ziemlich mitnehmen und auch Reputationsschaden anrichten können. 

Zu diesen Schwächen gehören eine ausgeprägte Unfähigkeit, Empathie zu empfinden. Sie können gnadenlos ihre Ellbogen einsetzen, um ihre Interessen durchzusetzen. Sie interessieren sich kaum für die Meinung anderer, schon gar nicht von Leuten, die sie nicht voll und ganz anerkennen. Im Vordergrund steht ihre eigene Reputation, nicht die der Firma. Man könnte – gut gestützt durch Statistiken - sagen:

«Wo narzisstische CEOs an der Macht sind, kennt die Öffentlichkeit den Namen des CEO. Wo bescheidene CEOs an der Spitze sind, kennt man den Namen des Unternehmens, aber nicht den des CEOs.»

Unter den Narzissten finden sich logischerweise viele Berühmtheiten; oft solche, die sich ihren Namen auf die Kosten anderer – manche Männer auf die ihrer Frau im Hintergrund – gemacht haben. Unter ihnen befinden sich jedoch auch viele gescheiterte Existenzen!  

Darin besteht das Verhängnis des Narzissmus: Er fördert Erfolge ebenso wie Abstürze. 

Gestörte Selbstwahrnehmung

Mit ein Grund für die Abstürze ist die gestörte Fähigkeit einer akkuraten Selbsteinschätzung. Narzisstische Persönlichkeiten sind in ihrer Eigeneinschätzung viel zu positiv bis hin zur Überheblichkeit. Eine gute Selbsteinschätzung ist jedoch ein entscheidender Performanceindikator, wie die nachfolgende Grafik zeigt. Der beste - allerdings nicht erreichte - Performancewert liegt bei 1. Der tiefste bei 3.10. 

Es zeigt sich, dass Manager mit einer genauen Selbsteinschätzung oder einer leichten Unterschätzung signifikant bessere Werte haben, als diejenigen, die sich überschätzen. 

Selbsteinschätzung

Viele Studien zeigen, dass narzisstischen Vorgesetzten zunehmend die Fähigkeit abhanden kommt, Selbst- und Fremdbild zu vereinen. 

Generell neigen viele Manager eher dazu, sich tendenziell zu überschätzen, wie auch die folgende Darstellung aufzeigt. 

Manager überschätzen sich oft

Das Problem ist, dass narzisstisch geprägte Persönlichkeiten eben nicht nur an mangelndem Einfühlungsvermögen sondern auch an einer erheblichen Empfindlichkeit gegenüber Kritik «leiden». Obwohl die überzogene Vorstellung eigener Überlegenheit in Wahrheit oft das Ergebnis eines brüchigen Selbstwertgefühls ist, ändert das nichts am Umstand, dass sie bedingt durch diese beiden Schwächen kaum Feedback bekommen, welches sie zu einer realistischeren Selbsteinschätzung bringen könnte. 

Narzissmus und Karriere

Forschungen zeigen, dass mit zunehmendem Narzissmus auch der Erfolg als Führungskraft steigt, da narzisstisch veranlagte Personen einige Eigenschaften besitzen, die sich positiv auf beruflichen Erfolg auswirken. Trotzdem müssen wir uns keine oder nur wenige Sorgen machen, dass unsere Arbeitswelt von kritikunfähigen Egozentrikern bestimmt wird. 

Neuere Untersuchungen zeigen nämlich, dass der wachsende Narzissmus nicht in demselben Mass zu wachsendem Erfolg führt. Schliesst man die Studien zu Führungskräftebewertungen in die Untersuchungen ein, zeigt sich:

  • Mit einem zunehmenden Grad an Narzissmus steigt der Erfolg einer Führungskraft zunächst steil an. 
  • Ab einem gewissen Grad an Narzissmus fällt der Erfolg im Beruf genauso stark wieder ab, wie die nachstehende Grafik zeigt.

Grafik Narzissmus vs. Erfolg

Der Erfolg des Narzissten liegt im Mittelmass 

«Betrachtet man den Durchschnitt, sind Narzissten weder die besseren noch die schlechteren Chefs», so Emily Grijalva, Leiterin einer Studie der University of Illinois. Und weiter: «Der ideale Chef ist in Massen narzisstisch.»

Ihre Arbeit unterstützt die bisherigen Forschungen zu dem Thema, erweitert jedoch den Blick auf Narzissmus und Erfolg um das entscheidende Kriterium des richtigen Masses. Denn eine Selbstüberschätzung kann, genauso wie die Unterschätzung der eigenen Fähigkeiten, dem Erfolg als Führungskraft im Weg stehen. 

Konsequenzen für Unternehmen

Da narzisstische Persönlichkeiten mit ihren Gaben glänzen, sind sie im Vorstellungsgespräch klar im Vorteil. Sie blenden damit ihr Gegenüber. Sind sie dann in ihrer Rolle angekommen, treten ihre Schwächen deutlich hervor.

Dass, egal, wie die Mitarbeiter urteilen – ein Narzisst immer von sich denkt, dass er ein sehr guter Chef ist, wird zum Stolperstein der Narzissten. Sie vernachlässigen es, die eigene Person zu reflektieren und nicht nur ihre Stärken zu lieben, sondern auch ihre Schwächen zu erkennen. 

Diese Reflexion der eigenen Person ist für den beruflichen Erfolg jedoch entscheidend, um an sich zu arbeiten und weiter zu entwickeln. Fehlt diese Fähigkeit, kann der neue Chef deshalb genauso schnell wieder verschwinden, wie er aufgetaucht ist. 

Allerdings dürfte zuvor die Ironie in vielen Fällen eingetreten sein, dass die Menschen wegen dem Unternehmen und dem tollen Job kommen, dieses aber wegen dem Chef verlassen. Das ist eine teure Angelegenheit, die auch auf die Reputation einer Firma durchschlägt. 

Was tun?

In der heutigen Arbeitswelt ist es sicherlich nötig, eine grosse Portion Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen zu haben, um an die Spitze zu kommen. Um dort zu bleiben, reicht es jedoch nicht aus, grosse Reden zu schwingen. Wer an der Spitze bleiben will, muss auch grosse Taten zeigen. Das kann keiner ohne die Mithilfe und die kreative Kraft der Mitarbeiter, die es zu gewinnen gilt.

Das Problem an der Wurzel packen heisst also, vor der Einstellung die Persönlichkeit des Bewerbers zu testen. Dazu braucht es keine aufwendigen Assessments (bei denen übrigens Narzissten ihre Karten gut auszuspielen wissen). In dem Hogan Persönlichkeits-Assessment gibt es das Risikoprofil des sogenannten «charismatischen Narzissten». Damit lässt sich schnell feststellen, wo der Bewerber steht. 

Später dann, in der Rolle angekommen, geht es um regelmässige Introspektion und Reflexion der eigenen Persönlichkeit und der Führungsleistung. Denn Narzissten werden nicht einfach geboren, sondern auch gemacht. Unter anderem dadurch, dass sie an der Spitze vereinsamen und sich niemand mehr getraut, ihnen Feedback zu geben.

Nicht umsonst gönnen sich Top Manager immer wieder mal ein Coaching, um im Spiegel nicht nur «ihr Selfie» zu sehen. Die echten Likes kommen nämlich aus der Realität oder halt eben nicht!

Die Studie: https://www.ideals.illinois.edu/bitstream/handle/2142/45624/Emily_Grijalva.pdf?sequence=1&isAllowed=y 
 

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