Management Letter:  Mitarbeiterbeurteilungen – ist die Norm normal?

Mitarbeiterbeurteilungen – ist die Norm normal?

19. Mär 2019

Beurteilungsverfahren sind allseits unbeliebt 

Warum? Nun, bei den Mitarbeitenden deshalb, weil sie oft als «black box» empfunden werden. Der Grund dafür ist, dass oft die Feedbackkultur fehlt, die ihnen auch während des Jahres regelmässige Orientierung über ihre Leistung geben würde. 

So kann das Jahresendgespräch zu vielen Überraschungen und in alle Richtungen führen. Bei den Vorgesetzten deshalb, weil sie dazu – Ende des Jahres oder auch zu Beginn – in ihrem Gedächtnis nach geeigneten Beispielen für die Beurteilung kramen müssen. Klar; wer will schon dabei ertappt werden, sich während des Jahres halt doch zu wenig mit den Mitarbeitenden und ihren Leistungen auseinandergesetzt zu haben? Oder es halt einfach verpasst hat, zeitnah Feedback zu geben, wie es sich gehören würde?

Schlimmer geht’s immer

Toppen lässt sich der potentiell negative Effekt einer solchen Art der «Jahresendbeurteilung», indem die Unternehmen darauf bestehen, dass die Mitarbeiterbeurteilungen der «gauss'schen Normverteilung» entsprechen müssen. Das dient aber am Ende nicht etwa einer faireren Beurteilung, sondern höchstens dazu dass auch Gauss oder zumindest die internen Statistiker der Firma ihren Seelenfrieden finden. 

Klar doch, denn schliesslich sind die Beurteilungen in vielen Fällen die Grundlage für einen zweiten verbreiteten Unfug, nämlich das Incentivierungssystem. Dieses gilt es zu unterfüttern, sprich den eventuellen Bonus und/oder die Lohnerhöhung des Mitarbeiters davon abhängig zu machen. Wie die Idee der Incentivierung, also der Motivierung zum Gegenteil, nämlich der Demotivation der Mitarbeitenden führt, hat Sprenger in seinem Buch «Mythos Motivation» schon vor Jahren dargelegt und mit Studien dazu untermauert. Nicht dass das etwas geändert hätte, aber zumindest hat sich sein Buch gut verkauft... 

Dass man aus Fehlern lernen kann, stimmt aber doch sehr zuversichtlich. So hat die Grossbank UBS vor einigen Jahren dieses System der Normverteilung wieder aus dem Verkehr gezogen, weil die Mitarbeitenden dagegen Sturm gelaufen sind. Und das auch aus unternehmerisch gutem Grund! Denn diese sind ein...

Hammerschlag für die Teamarbeit

Solche Normverteilungen werden nämlich nicht nur als demotivierend und ungerecht empfunden, sondern sind auch unternehmerisch unsinnig. Sie unterbinden nachweislich die gewünschte und erforderliche Kooperation zwischen den Mitarbeitenden, welche von den Vorgesetzten zu recht gefordert werden. Sie führen nämlich genau zu dem verbreiteten «Silodenken», welches die Führungskräfte so oft beklagen. Dass die Führungskräfte dieses Phäomen selbst erzeugen, geht dann in der allgemeinen Klage nur zu leicht vergessen. 

Werden die Mitarbeitenden im Vergleich zu anderen Mitgliedern im Team bewertet werden, unterbindet das nämlich genau die Kooperation, die gefordert wird. Irgendwie ist das verhaltensökonomisch doch auch nachvollziehbar, nicht wahr? Wenn es nämlich darum geht, besser zu sein als die anderen, ist die Hilfe für andere schädlich für den Eigennutz. Denn diese Hilfe birgt ja das Risiko, dass andere besser abschneiden als man selber. 

Mitarbeiterbeurteilungen ab- und Feedbackkultur aufbauen

Mitarbeiterbeurteilungen dürfen – wenn sie schon so heissen müssen - nicht auf ein jährliches Gespräch beschränkt werden. Ein Feedback zu Verhalten und Leistungen sollte regelmässig und zeitnah stattfinden. Nur so hat die betroffene Person eine faire Chance zu verstehen, was gefordert ist und das Verhalten in die erwünschte Richtung zu korrigieren. 

Ich würde gar einen Schritt weitergehen und empfehlen, die Beurteilungsgespräche nicht so zu nennen. Denn: Wer wird schon gerne be- und damit bei Nichtgefallen verurteilt? 

«Feedbackgespräche» klingt nicht nur besser, sondern trägt auch der Idee Rechnung, dass solche Gespräche die erforderliche Rückmeldung geben sollen, die es braucht, um sich zu orientieren und im erforderlichen Fall selbst zu korrigieren. Das fordert und fördert eine Beziehung auf Augenhöhe unter erwachsenen Menschen. 

Doch auch solche reifen Gespräche helfen nur bedingt weiter, wenn sie nur einmal im Jahr geführt werden. Schliesslich fährt ja auch niemand mit dem Auto sicher vorwärts, indem er  nur in den Rückspiegel schaut. Orientierung braucht nicht nur den Blick zurück, sondern auch den nach vorne. In unserem Fall also so etwas wie ein «Feedforward», also wie etwas, was wir haben und sehen wollen, statt was nicht sein soll.

Mehr zum Thema Feedback (und Feedforward) geben und nehmen lesen Sie hier.  Oder hier, wenn Sie mehr über das  360° Feedback wissen wollen. 

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg in Ihrer Führungsarbeit.
 

 

Interpretation der Grafik

In der Grafik ist eine «mathematisch perfekte Normalverteilung» mit Mittelwert 100 und Standardabweichung 15 dargestellt. Eine Normalverteilung ist definiert durch ihren Mittelwert und ihre Standardabweichung. Üblicherweise werden IQ-Werte so normiert, dass der Mittelwert 100 und die Standardabweichung 15 beträgt. 

Bei der Normalverteilung liegen die meisten Werte nahe beim Mittelwert und je stärker die Werte vom Mittelwert abweichen desto seltener werden sie. In den Extrembereichen finden sich nur extrem wenige Fälle.

Zur Verdeutlichung ist die Verteilung in 15er-Schritten unterteilt. Dadurch ergeben sich Bereiche, die eine, zwei, drei oder mehr als drei Standardabweichungen über beziehungsweise unter dem Mittelwert liegen. Im oberen Teil von Abbildung 1 ist angegeben, wie viel Prozent der Fälle in den jeweiligen Bereich fallen (aufgrund der Rundung liegt die Summe über 100 Prozent).

Zwischen 100 und 115 – das ist der Bereich zwischen Mittelwert und Mittelwert plus eine Standardabweichung – liegen 34,1 Prozent der Fälle. Dasselbe gilt für den spiegelbildlichen Bereich zwischen 85 und 100. Insgesamt weichen demnach 68,2 Prozent aller Fälle maximal eine Standardabweichung vom Mittelwert ab.

  • Zwischen 70 und 85 bzw. 115 und 130 liegen jeweils 13,6 Prozent.
  • Zwischen 55 und 70 bzw. 130 und 145 liegen jeweils 2,3 Prozent.
  • Unter 55 beziehungsweise über 145 liegen jeweils nur noch 0,1 Prozent.

Bezeichnet man die Bereiche mit «durchschnittlich», «hoch/niedrig», «sehr hoch/sehr niedrig» sowie «extrem hoch/extrem niedrig», dann heisst dies:

  • Die allermeisten Menschen sind durchschnittlich intelligent. 
  • Einige weisen eine hohe und einige weisen eine niedrige Intelligenz auf. 
  • Sehr wenige weisen eine sehr hohe beziehungsweise sehr niedrige Intelligenz auf. 
  • Extrem wenige besitzen eine extrem hohe beziehungsweise extrem niedrige Intelligenz.

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